CH: «Sicherheit ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit»
Am 27. September entscheidet die Schweizer Stimmbevölkerung über die Erneuerung der Luftwaffe. Im Interview spricht Nationalrätin Nadja Umbricht Pieren über die Aufgaben und die Notwendigkeit von neuen Kampfflugzeugen.

Am 27. September entscheidet die Schweizer Stimmbevölkerung über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge. Frau Umbricht Pieren, Sie sind dafür. Weshalb?
Nadja Umbricht Pieren: Mir ist die Sicherheit unseres Landes und unserer Bevölkerung sehr wichtig. Unsere Luftwaffe ist auch die Polizei in der Luft. Niemand weiss, wie die Welt in zehn, 20 oder 30 Jahren aussehen wird. Die Flugzeuge werde erst in zehn Jahren, also im Jahr 2030, ersetzt und müssen dann während 30 bis 40 Jahren im Einsatz bleiben. Es wäre äusserst fahrlässig, ja sogar egoistisch, die Luftwaffe abzuschaffen und somit die Sicherheit unserer nächsten Generationen zu gefährden.
Weshalb?
Als neutrales Land müssen wir uns selbst verteidigen können. Die letzten Monate haben deutlich gezeigt, dass wir uns in der Krise nicht auf unsere Nachbarn verlassen können. Lieferungen mit Medizinalprodukten wurden an der Grenze blockiert und konnten nicht in die Schweiz transportiert werden. Wir müssen uns auch in Zukunft in jeder Bedrohungslage selber schützen können.
Sie sagt Ja zu den neuen Kampfflugzeugen
Nadja Umbricht Pieren betont im Interview die Wichtigkeit der Erneuerung der Luftwaffe.
Was sind die Aufgaben der Luftwaffe?
Sie schützt uns mit jährlich rund 300 Kontrolleinsätzen, rund 40 Einsätzen wegen Lufthoheitsverletzungen oder Notsituationen und gewährt den Schutz an internationalen Konferenzen. Unser Luftraum wird von der Luftwaffe bewacht und rückt sofort aus, wenn eine Luftraumverletzung festgestellt wird, oder auch, wenn ein Pilot in der Luft Probleme bekommt. In dem Fall begleitet ihn das Kampfflugzeug sicher bis zum nächsten Flugplatz. Zudem kann uns nur eine Luftwaffe mit Kampfflugzeugen gegen Angriffe aus der Luft schützen.
Es gibt Stimmen, die kleinere, weniger leistungsfähige, dafür billigere Flugzeuge fordern.
Wir brauchen Kampfflugzeuge, welche uns in einer Bedrohungslage schützen und für Luftpolizeieinsätze eingesetzt werden können. Billige Flugzeuge mit einer geringen Leistungsfähigkeit können diese Aufgaben nicht oder nur sehr eingeschränkt erfüllen. Solche Flugzeuge werden im Ausland einzig als Trainingsflugzeuge eingesetzt, aber nirgends für den Einsatz bei einer Bedrohungslage.
Können wir uns eine Erneuerung der Luftwaffe in der heutigen Krisenzeit leisten?
Ja, auf jeden Fall. Sicherheit ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Die Anschaffung der Kampfflugzeuge kostet sechs Milliarden Franken. Dieses Geld wird über zehn Jahre aus dem ordentlichen Armeebudget gespart. Wenn man diesen Betrag herunterrechnet, kommt man auf 5.80 Franken pro Monat pro Person während zehn Jahren. Das sind weniger als ein Bier und eine Bratwurst im Monat pro Person, weniger als ein Päckli Zigaretten. Das sollte es uns wirklich wert sein, denn es geht um unsere Sicherheit und die der nächsten Generationen.
Das Budget für die Beschaffung der Kampfflugzeuge ist auf sechs Milliarden Schweizer Franken veranschlagt. Die Gegner einer Modernisierung der Luftwaffe sagen, das Geld würde besser in die Bildung oder den Umweltschutz investiert.
Das Geld wird im ordentlichen Armeebudget über zehn Jahre gespart. Wenn wir den Kredit für die Erneuerung der Kampfflugzeuge ablehnen würden, würde das Geld in der Armee bleiben. Das Geld wird in Bundesbern auf die verschiedenen Departemente verteilt. Die Ausgaben in der Armee sind die einzigen, welche über die letzten zehn Jahre nicht gestiegen sind. Somit ist es kein Argument, dass man das Geld besser in einen anderen Bereich investiert. Das wird sowieso nicht der Fall sein.
Wieso nicht?
Wenn Eltern ihren vier Kindern monatlich 20 Franken Taschengeld geben und eines der Kinder dieses Geld über Jahre spart, werden die Eltern dem Kind nach vier Jahren das Geld nicht einfach wegnehmen und den Geschwistern geben. Das ist hier dasselbe. Es ist sehr fahrlässig, die Stimmbevölkerung mit falschen Argumenten hinters Licht zu führen und so die Sicherheit ab dem Jahre 2030 aufs Spiel zu setzen. Deshalb ist ein «Ja» am 27. September ein «Ja» für die Sicherheit für uns und unsere nächsten Generationen.
Die F/A-18-Kampfjets erreichen in zehn Jahren das Ende ihrer Nutzungsdauer.
Die F/A-18-Kampfjets erreichen in zehn Jahren das Ende ihrer Nutzungsdauer.Foto: Copyright VBS
Beschaffung neuer Kampfflugzeuge Air2030 – um was geht es?
Der Bundesrat und das Parlament wollen die Luftverteidigung erneuern. Die Schweiz soll ihre seit 1978 und 1996 im Einsatz stehenden Kampfflugzeuge für maximal sechs Milliarden Franken durch neue Flugzeuge ersetzen. Während die Flugzeuge aus dem Jahr 1996 (F/A-18 Hornet) im Jahr 2030 an das Ende ihrer endgültigen Nutzungsdauer gelangen, sind die 1978 beschafften Flugzeuge (F-5E Tiger) bereits heute veraltet. Im Ernstfall wären sie völlig chancenlos gegen ein modernes Kampfflugzeug. Damit ist klar: Soll der Luftraum über der Schweiz ab 2030 weiterhin geschützt bleiben, müssen die Flugzeuge erneuert werden. Ansonsten ist der Schweizer Luftraum ab 2030 ungeschützt.
Gegen diesen Entscheid wurde das Referendum von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) ergriffen. Sie wird unterstützt von der SP und den Grünen. Am 27. September kommt es zu einem Grundsatzentscheid: Flugzeuge zum Schutz der Schweizer Bevölkerung – Ja oder Nein. Welcher Flugzeugtyp die alten ersetzt, entscheidet der Bundesrat jedoch erst nach der Abstimmung. Alte Flugzeuge müssen durch neue ersetzt werden Die derzeit verwendeten Flugzeuge F/A-18 Hornet und F-5E Tiger erreichen spätestens 2030 das Ende ihrer Lebensdauer. Die Flugzeuge des Typs Tiger sind seit 1978 im Einsatz und bereits jetzt technisch veraltet. Sie werden heute nur noch tagsüber und bei klaren Wetterverhältnissen geflogen und werden daher nur noch zu Trainingszwecken eingesetzt, da sie nicht mehr der Luftraumsicherung dienen. Auch die 1996 beschafften Flugzeuge des Typs F/A-18 Hornet erreichen in zehn Jahren das endgültige Ende ihrer Nutzungsdauer.
Es ist daher sinnvoll, beide alten Flugzeugtypen frühzeitig zu ersetzen, da ein geordneter Beschaffungsprozess mehrere Jahre andauern kann. Durch den Ersatz der beiden Flugzeugtypen durch einen einzigen wird der Unterhalt zusätzlich vereinfacht. Die Beschaffung leichter Trainingsflugzeuge, wie sie die SP vorschlägt, kann laut VBS die Anforderungen an die heutige Luftraumsicherung nicht erfüllen. (pd)