Bedrohung

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Die Schweiz ist eines der sichersten Länder der Welt. Sicherheit ist jedoch weder selbstverständlich noch kostenlos. In Sicherheit muss immer wieder investiert werden. Dies trifft auf die gesamte Bedrohungspalette zu vom Sozialwesen, zum Cyberbereich, über das Gesundheitswesen und den Terrorismus bis zur militärischen Verteidigung. Viele Menschen haben dies in Jahrzehnten des Wohlstands vergessen oder sie blenden einzelne Bereiche aus. Unser Umfeld wurde in den letzten Jahren unsicherer. Die Bedrohungen sind in den den Jahrzehnten nach dem Ende des Kalten Krieges vielfältiger geworden und auch geografisch nähergekommen. Dass auch andere Bedrohungen zugenommen haben spricht nicht gegen die Erneuerung der Mittel zum Schutz des Luftraums. Die „neuen“ Bedrohungen haben die „alten“ nicht verdrängt, sondern ergänzt.

Es ist zudem nicht ein Entweder-Oder, es ist möglich und durchaus wahrscheinlich, dass mehrere Bedrohungen gleichzeitig auftauchen. So wäre der ideale Zeitpunkt für einen terroristischen Akt oder einen Cyberangriff dann, wenn die Ressourcen einer Gesellschaft durch die Folgen einer Pandemie absorbiert werden.

Die zu beschaffenden Systeme zur Erneuerung unserer zunehmend veralteten Luftverteidigung sollen etwa ab 2030 einsatzbereit sein und die Menschen in der Schweiz bis mindestens 2060 aus der Luft schützen. Die vier Jahrzehnte bis 2060 sind zudem noch mit vielen Unsicherheiten behaftet. So wissen wir nicht, in welcher Form die Schweiz ihre Neutralität aufgrund internationaler Ereignisse neu definieren muss.

Im Grossmanöver SAPAD 2017 hat Russland vor einigen Jahren die Eroberung von Ostseezugängen und die Isolierung der baltischen Staaten geübt (Quelle: FAZ 13.9.2017)

Die strategische Bedeutung des Ostseeraums für die Sicherheit und Stabilität in Europa ist in den letzten Jahren klar gewachsen und auch in West- und Mitteleuropa stärker in den politischen Fokus gerückt. Zentraler Faktor ist dabei das angespannte Verhältnis zu Russland, das mit fünf der anderen acht Ostsee-Anrainerstaaten eine direkte Grenze teilt und seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, aber spätestens seit dem Ausbruch des Konflikts in der Ost-Ukraine, von vielen seiner Nachbarn als Bedrohung wahrgenommen wird.

Für Russland ist die Ostsee strategisch von großer Bedeutung. Wichtige russische Häfen und Werften liegen an der Ostsee, außerdem werden über diesen Weg Holz, Öl, Gas und andere Güter exportiert. Die Gaspipeline Nordstream verläuft ebenfalls hier. Eine militärische Aggression erwartet derzeit zwar kaum jemand. Ähnlich wie in der Ukraine stellt man sich vielmehr auf eine sogenannte hybride Taktik ein: kleine Nadelstiche und Provokationen, die Verunsicherung erzeugen und Ängste schüren. Nicht zuletzt in den Baltenrepubliken, die dem Nachbarn im Ernstfall nichts entgegenzusetzen hätten.

Doch die Störmanöver sind steigerungsfähig. Schließlich sind vor allem die Balten auf einen reibungslosen Schiffsverkehr auf der Ostsee angewiesen. Allein über Land oder die Luft können sie sich kaum versorgen. Sollte Russland den Seeverkehr stören oder den Seeweg gar abriegeln, wäre das für sie eine Katastrophe. Im Kriegsfall wäre die Ostsee aber auch als Nachschubweg für die Nato von strategischer Bedeutung. Denn die Bahnverbindungen ins Baltikum sind schlecht, der schmale Landkorridor an der polnisch-litauischen Grenze, mit Kaliningrad auf der einen und Weißrussland auf der anderen Seite, zudem leicht angreifbar. Hier besteht eine Flugstunde von der Schweiz entfernt ein Konfliktpotenzial, welches der Situation auf der Krim in nichts nachsteht. Dies erklärt die enorme Aufrüstung, welche in Polen vorangetrieben wird.

Sollte es im Baltikum zu einer Krise kommen, braucht die Schweizer Politik Handlungsoptionen um allenfalls, zum Schutz unserer Neutralität, den Luftraum schliessen zu können. Drohnen und Trainingsflugzeuge wären in dieser Situation nutzlos.

“We are living in unpredictable times with new challenges and threats contributing to a sense of uncertainty in our societies. We are witnessing an increasingly challenging security situation both globally and in our neighborhood. In addition to the current Covid-19 pandemic and hybrid influencing, we should remember that other security threats persist. Together, we have a responsibility to maintain peace and stability in our region. In order to meet our common responsibility for the security in our region, we must continue to strengthen our capabilities to act together.”

Antti Kaikkonen, Minister of Defence in Finland
Frank Bakke-Jensen, Minister of Defence in Norway
Peter Hultqvist, Minister for Defence in Sweden

23 September 2020

Weiter hat das Coronavirus die Welt in einer Weise verändert, die noch vor wenigen Monaten schwer vorstellbar war und verschiedene Studien zeigen, wie der Klimawandel etwas Ähnliches bewirken könnte. Werfen wir zum Beispiel einen düsteren Blick in eine Welt, in der die Treibhausgas-Emissionen ungehindert ansteigen: 20 bis 30 Prozent der Weltbevölkerung wird für diesen Fall in 30 Jahren in Regionen leben, die zu heiss für einen menschlichen Lebensraum sind. Unter anderem wird ein grosser Teil Nordafrikas unbewohnbar werden. Dort werden soziale und militärische Unruhen ausbrechen, Flüchtlingswellen in noch nie gesehenem Ausmass werden auf noch bewohnbare Gegenden der Erde treffen.

Der Klimawandel könnte Gebiete des Nahen Ostens und Nordafrikas unbewohnbar machen
46 Grad am Tag, nicht unter 30 Grad nachts. Dies ist wahrscheinlich die grösste Herausforderung, vor der wir stehen – viel grösser als die Pandemie. Daraus ist ein Planungs- und Handlungsauftrag für alle Streitkräfte abzuleiten. (Codecheck, 6. Mai 2016)

Diesen Herausforderungen wird man nicht nur mit logistischen Mitteln begegnen können. Wo Bandenkriege herrschen, wo sich Terror ausbreitet, Söldnerheere gegeneinander kämpfen, welche von Staaten mit Partikularinteressen finanziert werden, hilft nur ein entschlossenes militärisches Vorgehen. Die im Herzen Europas liegende Schweiz – auch wenn sie nicht Mitglied der EU ist – müsste in einer solchen Situation Beiträge leisten, welche das zur Verfügung stellen von Milliarden überschreitet.

Niemand weiss, wie die schleichende, aber handfeste Einfluss- und Besitznahme ausgewählter wichtiger Infrastrukturen und die zunehmende militärische Präsenz in Europa durch China ausgehen und welche Rolle dabei die angeblich gegen 200’000 chinesischen Billigarbeiter in Norditalien spielen. Niemand weiss, wie sich Europa angesichts der Absetzbewegung der Amerikaner sicherheitspolitisch wird behaupten können und wie weit Dritte diese Situation in unserem unmittelbaren Umfeld ausnutzen. Niemand weiss, wie der Konflikt um Libyen ausgeht, der sogar NATO Staaten in Europa – sogar mit involvierten Nachbarn – spaltet. Dasselbe gilt für die Konflikte um die Ansprüche auf die Nutzungsrechte in der Ägäis und vor Zypern, die ebenfalls NATO-Staaten spalten.

Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen! Niemand weiss, was morgen oder übermorgen passiert, geschweige denn in 30 Jahren, wenn die nun zu beschaffenden Flugzeuge noch immer im Einsatz stehen (sollten). Die Argumentation, wir seien von „Freunden umzingelt“ ist nicht haltbar. Schon zu Beginn der Corona-Krise, haben verschiedene unserer Nachbarländer kritische Materiallieferungen aus Übersee an ihren Grenzen blockiert und wegen Eigenbedarf nicht in die Schweiz gelassen. In Krisensituationen funktionieren Schönwetterverhältnisse sehr oft nicht. Das ist eine der Lehren aus der Coronakrise. Eine weitere Lehre ist, dass wir unbedingt das Undenkbare denken müssen. Wir werden dann zum Schluss kommen, dass es verschiedene Szenarien geben könnte, in denen die Schweiz ihr bisheriges Neutralitätsverständnis überdenken müsste. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Neutralität aufgegeben werden müsste. Militärische Mittel sind in diesem Zusammenhang auch in der Zukunft unverzichtbar.

Die Schweiz braucht neue Kampfflugzeuge nicht deshalb, weil man sich selbst verteidigen muss. Man braucht sie, um solidarisch mit den Nachbarstaaten für die Sicherheit Europas zu sorgen. Eine klassische Verbundaufgabe. Zu viel lastet auf den Schultern der USA. Europa muss mehr Verantwortung übernehmen. Und zu diesem Europa gehört auch die Schweiz. Die Neutralität steht dabei nicht im Weg. Sie bedeutet, dass wir keine Kriege anzetteln und uns auch nicht daran beteiligen wollen, sofern wir nicht selbst angegriffen werden. Darüber hinaus hat sie keine Bedeutung mehr.

Weitere Quellen:

  • Die Zeit des sicherheitspolitischen Inseldaseins der Schweiz ist vorüber (NZZ, 7.7.2020)
  • Die Schweiz muss vorbereitet sein, wenn die Dinge schieflaufen sollten (NZZ, 10.10.2020)
  • An invasion of Taiwan is becoming more and more likely (19.10.2020)
  • Sweden embarks on its largest military build-up for decades. The threat from Russia prompts a bill to raise defence spending by 40% in five years (21.10.2020)

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