CH: Die SP wird dem Gripen noch nachtrauern

Niklaus Ramseyer, Infosperber, 20.9.2020

Kommentar Roger Harr: Die Raison d’être jeder Armee ist der Krieg. Dies gilt auch für die Schweiz. Luftpolizeidienst ist eine an an die Luftwaffe delegierte Aufgabe im Frieden. Nicht einmal dafür wären die von der SP propagierten M345 Leonardo geeignet.

Den italienischen M345 Leonardo wollte die SP bei einem Nein zu den Kampfjet einbringen.
© Leonardo

Neusten Umfragen zufolge dürfte das Schweizer Volk am 27. September die sechs Milliarden Franken für den Kauf neuer Hochleistungs-Kampfjets klar bewilligen (58 Prozent dafür, nur 31 Prozent dagegen). Das wundert wenig: Über die harten Armeegegner GSoA hinaus sind fast nur die Grünen und die (teilweise auch antimilitaristische) SP gegen die Beschaffung. Von der SP kommt nun jedoch im Abstimmungskampf eines der fundiertesten Papiere zum Kampfjetkauf. Unter dem Titel «Argumentarium gegen die unnötige Beschaffung von Luxus-Kampfflugzeugen für 6 Milliarden Franken» legt die Partei 20 Seiten stichhaltige Argumente gegen Bundesrätin Viola Amherds grosse und schwere Jagdbomber vor.

«Bodengestützte Flab» und «leichte Kampfjets»

Die teuren «Luxus-Kampfjets» seien «gegen die meisten sicherheitspolitischen Risiken machtlos», kann man da mit vielen Bezügen auf Fachliteratur lesen. Und selbst der Bundesrat habe doch wörtlich festgehalten: «Ein direkter Angriff auf die Schweiz, bei dem die ganze Luftverteidigung der Nato durchbrochen wäre, scheint aus heutiger Sicht wenig wahrscheinlich.» Statt Hochleistungs-Jets fordert die SP primär bodengestützte Fliegerabwehr. Weil diese «sowie ein guter Radar und gute Führungssysteme gegen die meisten Sicherheitsrisiken aus der Luft weit mehr Schutz bieten, als Luxus-Kampfjets». Konkret solle etwa die Einmann-Flabrakete «Stinger» modernisiert und sicher nicht liquidiert werden. Für den Luftpolizeidienst (seit über 70 Jahren die einzige Verteidigungsaufgabe der Schweizer Luftwaffe, der Verf.) könnten darüber hinaus (nach einem Nein am 27. September) «auch leichte Kampfjets, wie der M-346FA von Leonardo (Italien) oder der KAI FA-50 (Südkorea)» beschafft werden, rechnet die Partei vor. Diese Kampfjets wären vier bis fünf Mal günstiger, viel besser verfügbar, und in Betrieb und Unterhalt nur einen Bruchteil so teuer, wie die nun vorselektionierten vier Hochleistungs-Jets (Flugstunde für nur 2000 – statt für 30’000 Franken oder noch mehr).

Schweizer Piloten wollen mit der Nato den weltweiten Bombenkrieg üben

Das klingt alles überzeugend und fundiert. Wie auch der Hinweis der SP, dass die Schweizer Luftwaffe ja wohl kaum etwa mit dem US-Tarnkappenbomber F-35 «aus der Schweiz unerkannt bis Moskau oder Lissabon fliegen» müsse, «um dort Bomben abzuwerfen». Was die SP nicht weiss – oder geflissentlich verschweigt: Genau darum geht es bei den neuen Super-Kampfjets mitunter. Die Schweizer Kampfjet-Piloten wollen zusammen mit ihren Nato-KollegInnen, mit denen sie jetzt schon regelmässig die «Kooperation» (und Kumpanei) üben, endlich wieder Erdkampf-Elemente trainieren können, möchten Stellungen und Städte bombardieren lernen.

Mit ihrem reinen Abfangjäger F/A-18 mussten sie da bisher immer passen. Dass die niederschwellige, schleichende Nato-Integration der Luftwaffe unter dem politischen Radarschirm hindurch neutralitätspolitisch fragwürdig bis sicherheitspolitisch gefährlich sein könnte, ist ihnen dabei einerlei. Wie auch der SP: In ihrem Papier hebt sie die fundamental anderen Anforderungen an die defensive Luftwaffe der neutralen Schweiz nirgends hervor – die sich von jenen an kriegführende Nato-Streitkräfte doch wohl klar unterscheiden sollten.

Nato-Integration Ja – aber Nato-Kampfjets Nein

Dabei wäre das fundierte SP-Argumentarium für eine alternative Luftverteidigung ein optimal auf «strukturelle Nichtangriffsfähigkeit» getrimmtes Konzept, wie es passgenau der neutralen Schweiz entspräche. Nur widerspricht es damit der ansonsten oft konfusen Militärpolitik der SP: Zumindest der international orientierte rechte Flügel der Partei hat mit Landesverteidigung und Neutralität wenig im Sinn. Hat die ganze Schweizer Armee auch schon mal professionalisieren oder der Uno unterstellen wollen. Und fordert seit Jahren, es müsse «die Truppe den Anforderungen der Auslandeinsätze angepasst» werden.

Diese Einsätze laufen meist im Rahmen der «Nato-Partnership für Peace (PfP)». Die SP-Fraktion hat vor über 20 Jahren den bürgerlichen Nato-Freunden in den Räten geholfen, unsere Armee ohne Referendum und Abstimmung in diese Partnerschaft hinein zu manövrieren. Dies entgegen aller Warnungen seitens ernsthafter Linker, wie des damaligen SP-Präsidenten Peter Bodenmann: «Die Welt erwartet von der neutralen Schweiz sicher nicht noch mehr bewaffnete Soldaten!» Und erst recht keine Bomber-Übungseinsätze im Schlepptau weltweit kriegführender Nato-Luftwaffen.

Nato-Partnerschaft braucht Luxus-Kampfjets

Solche grenzüberschreitenden Einsätze sind eine Folge dieser neutralitätspolitisch fragwürdigen Nato-Partnerschaft. Und die teuren Hochleistungskampfjets, die wir jetzt bewilligen und bezahlen sollen, dienen wiederum weit mehr dem Mithalten bei «Standards» und Anforderungen dieser «Friedenspartnerschaft» (die inzwischen viel eher eine «Kriegskumpanei» geworden ist), als den Verteidigungsbedürfnissen unseres Landes.

Doch jedes Mal, wenn ein Vorstoss von der SVP oder den Grünen im Parlament die längst fragwürdige Nato-PfP der Schweiz beenden – und damit den Nato-Anpassern in Bern die Grundlage für den Kauf und den Übungseinsatz weitreichender Hochleistungs-Bomber entziehen will, stimmt die SP prompt mehrheitlich mit dem Freisinn für Festhalten an der grenzüberschreitenden Kriegskumpanei. Sie missachtet dabei die Tatsache, dass inzwischen über 80 Prozent der Stimmberechtigten gegen jegliche Nato-Integration unseres Landes sind. Das Volk hätte der Nato-PfP nie zugestimmt, wenn es denn hätte abstimmen dürfen. Mehr noch: Die SP verhindert mit ihrem bewaffneten Internationalismus just jene kostengünstige, auf die speziellen Gegebenheiten unseres bündnisfreien Landes ausgerichtete Rüstungspolitik, die sie jetzt in ihrem Grundsatzpapier zum Fliegerkauf faktisch und erstaunlich gut begründet fordert.

Mit dem Kauf des günstigen Kampfjets Gripen (gut drei Milliarden für 22 Flieger) vom neutralen Schweden wollte der damalige Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) 2014 die Nato-Abhängigkeit der Schweizer Flugwaffe entscheidend abtempieren. Doch die SP kämpfte dagegen. Unterstützt von rechten Nato-Freunden in der Luftwaffe, in den Räten und der Verwaltung – die alle Maurer in den Rücken fielen. Sie schossen den Gripen an der Urne ab. Und jetzt freuen sich die «Nato-Integristen» über die bald schon freie Startbahn für ihre schweren und teuren, aber «Nato-kompatiblen» Kampfbomber.

Die SP muss zusehen, wie die US-Airforce in Payerne «ihre» Airbase ausbaut

Die SP hingegen wird spätestens dann dem handlichen Schweden-Kampfjet nachtrauern, wenn sie zusehen muss, wie die US-Airforce mit ihrem invasiven Tarnkappenbomber F-35 A (financed by Swiss taxpayers) ihre «Airbase» – wie sie an der Autobahn bei Avenches jetzt schon angeschrieben ist – in Payerne (VD) entscheidend ausbaut. Der Gripen aus Schweden nämlich wäre bezüglich Leistung und Kosten irgendwo in der Mitte geflogen zwischen den vier nun evaluierten Maximal-Lösungen und den leichten Wunsch-Kampfjets der SP aus Italien oder Korea.

CH: Die SP wird dem Gripen noch nachtrauern