Ja zu neuen Kampfjets: Das müssen Sie über den Kauf wissen

Sermîn Faki, Daniel Ballmer, Blick, 02.10.2020

Die Schweiz kann neue Kampfjets kaufen. Doch das knappe Ja von 50,1 Prozent dürfte den Zeitplan durcheinanderwirbeln. BLICK erklärt, wie es jetzt weitergeht.

Weiter nach Drehbuch? Das geht für Verteidigungsministerin Viola Amherd nach dem knappen Ja nicht.
Keystone

Es war ein Schock für Verteidigungsministerin Viola Amherd (58), der ihr am Sonntag bei ihrem Medienauftritt deutlich anzusehen war. Obwohl alle Umfragen ein komfortables Polster für den Kauf neuer Kampfflugzeuge vorausgesagt hatten, schrammten die Abstimmung haarscharf an einem Desaster vorbei. Nur 50,1 Prozent der Stimmberechtigten sprachen sich für den Kauf aus. Wie geht es jetzt weiter? Und ändert das knappe Ergebnis etwas am Plan? BLICK zeigt die wichtigsten Punkte.

Welche Schritte stehen jetzt an?

Noch in diesem Jahr müssen die Kampfflugzeug-Hersteller ihre Offerten einreichen. Zusammen mit bisherigen Testergebnissen wird dann das beste Kosten-Nutzen-Ergebnis ermittelt. Gestützt darauf soll der Bundesrat im kommenden Jahr einen Typenentscheid treffen. Doch dann wird nicht einfach ein Scheck ausgestellt. Denn das Parlament muss in der Armeebotschaft nochmals seinen Segen zum Geschäft geben.

Welche Typen sind denn noch im Rennen?

Vier Anbieter wollen der Schweiz einen Jet verkaufen: die US-Hersteller Lockheed Martin mit dem F-35 sowie Boeing mit dem Super Hornet, ausserdem der Rafale-Kampfjet des französischen Konzerns Dassault und der Eurofighter von Airbus. Der schwedische Gripen, der 2014 schon einmal vor dem Volk durchfiel, hat sich aus dem Prozess zurückgezogen.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Die Offerten werden bis im November 2020 eingereicht. Planmässig trifft der Bundesrat im kommenden Mai den Typenentscheid. Das Parlament soll 2022 seinen Segen geben. Das Verteidigungsdepartement geht davon aus, dass die ersten Jets ab 2025 geliefert werden. Die letzten Flieger sollten bis 2030 in der Schweiz landen.

Kann der Zeitplan noch eingehalten werden?

Das ist derzeit unklar. Denn die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) prüft eine Volksinitiative. Diese kann sie eigentlich erst starten, wenn der Bundesrat seinen Typenentscheid getroffen hat – also im kommenden Sommer. Dann hätte die GSoA 18 Monate – bis Ende 2022 Zeit, die nötigen 100’000 Unterschriften zu sammeln. Es ist zwar möglich, dass sich das Parlament davon nicht beeindrucken lässt und den Fahrplan des Bundes einhält. Doch sollte die Initiative zustande kommen, würde sich der Kauf verschieben – um mindestens zwei Jahre. Denn dann müsste die Initiative auch noch den Bundesrat und das Parlament passieren.

Hätte die Initiative Chancen?

Schwer zu beurteilen. Die Kampfjet-Gegner wittern jetzt zwar Morgenluft, doch ein Volksbegehren nach dem Ja vom Sonntag könnte in der Bevölkerung als Zwängerei angeschaut werden. Viel wird davon abhängen, für welchen Typ zu welchem Preis sich der Bundesrat entscheidet. Kommt ein teurer, umstrittener Jet zum Handkuss, dürfte sich die Gegnerschaft mehren.

Reagiert die Politik?

CVP-Präsident Gerhard Pfister (57) und FDP-Präsidentin Petra Gössi (44) haben am Sonntag in der Elefantenrunde des SRF bereits einen Schritt auf die Fast-Gewinner zugemacht. Das Kostendach von 6 Milliarden Franken müsse unbedingt eingehalten werden müssten. «Wer günstiger ist, hat die Nase vermutlich vorn», so Pfister. Und SP-Fraktionschef Roger Nordmann (47) wiederum forderte, dass angesichts des knappen Resultats auch kein US-Jet in Frage komme.

Und was heisst das jetzt?

Der Bundesrat hatte aus dem Gripendebakel gelernt und wollte den Prozess entpolitisieren. Das Volk sollte nur noch Ja oder Nein zur Erneuerung der Luftwaffe sagen, die Typenwahl wollte man auf technische Expertise abstützen. Nach dem hauchdünnen Ja zum Jet ist dieser Plan gescheitert. Angesichts der Tatsache, dass 8670 Stimmen den Ausschlag gaben, ist die Politik zurück im Jet-Deal.

Ja zu neuen Kampfjets: Das müssen Sie über den Kauf wissen